DIie Ambivalenz des neuen Sozialer Fortschritt durch Plattformen,
Blockchain und KI?
Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn
Friedrich-Ebert-Stiftung - Bonn
2020
32 p.
digitalisation ; welfare state ; social policy ; health policy ; government attitude ; sharing economy ; artificial intelligence
WISO Diskurs
03/2020
Technology
German
Bibliogr.
"Große Transformationsprozesse wie die Digitalisierung weisen ein hohes Maß an Ambivalenz auf. Die Auswirkungen und Effekte sind entgegen erster, oberflächlicher Betrachtungen weder pauschal als positiv zu bewerten und Anlass für widerspruchsfreie Euphorie noch sind sie per se schlecht und negativ. Das macht die Analyse einerseits aufwändig und kompliziert, bietet andererseits aber viele Gestaltungsmöglichkeiten. Denn der Pfad technischer Innovationen ist keineswegs vorgezeichnet. Im Gegenteil: Ihr Einsatz und ihre Verbreitung werden von Geboten und Verboten, finanziellen Förderungen, Informationskampagnen, Schulungsangeboten und gesetzlichen Regelungen beeinflusst, und ihre Auswirkungen entfalten sich erst in den Dynamiken, die sich durch ihre Nutzung im alltäglichen (Arbeits-)Leben entwickeln. Den Einsatz und die Verbreitung von technischen Innovationen gilt es nun in einem gesellschaftlichen Diskurs und mit demokratischen Mitteln gemeinsam zu entwickeln. Hier zeigt sich gerade in Zeiten populistischer Regierungen und autokratischer Systeme der Vorteil stabiler politischer Verhältnisse vieler europäischer Demokratien. Sie bieten Institutionen und etablierte Aushandlungsplattformen, die Konsens und Kompromiss fördern und die nachhaltige Akzeptanz für konkrete Lösungen erleichtern. Sowohl in der Fachgesprächsreihe als auch in der hier vorliegenden Studie haben wir diese Herausforderungen, aber auch mögliche Lösungen und Handlungsempfehlungen vor allem mit Blick auf die drei Politikfelder Arbeit, Gesundheit und Sicherheit intensiv diskutiert. Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass öffentlich wie privat mehr investiert werden muss: in Infrastruktur, die Modernisierung des Wohlfahrtsstaats, in Bildung und Weiterbildung, aber auch in Forschung und Innovation. Zudem gilt es an den bestehenden Stärken anzuknüpfen: etablierte Wohlfahrtssysteme, eine im internationalen Vergleich gut ausgebaute medizinische Versorgung, soziale Standards, ein etablierter Daten- und Verbraucherschutz sowie wichtige Institutionen wie politische Partizipation und Mitbestimmung in den Betrieben. All das sorgt für eine hohe Innovationsfähigkeit von Organisationen und Gesellschaften. Liegen hier auch die Chancen eines dritten, europäischen Weges, der im Unterschied zur chinesischen (staatlich, autokratisch, top-down) oder US-amerikanischen Variante (Markt, Wettbewerb, Kontrolle) vielerlei Anknüpfungspunkte für diese gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe bietet? Zweifelsohne ermöglichen gerade Institutionen wie Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft die Teilhabe, könnten Vertrauen schaffen und damit auch die entsprechende Sicherheit im Wandel bieten. Allerdings sinken seit Jahren der Organisationsgrad sowie die Tariftreue, womit die einstigen Stärken des rheinischen Kapitalismus mehr und mehr erodieren, obwohl sie gerade in Zeiten von Krisen (siehe letzte Finanz- und Wirtschaftskrise) lagerübergreifend als Erfolgsmodell gepriesen werden. Das ist mit Sorge zu betrachten. Denn vor dem Hintergrund diverser aktueller politischer und ökonomischer Spannungen (z. B. Handelskonflikt zwischen USA und China) entfalten die zentralen Elemente dieses europäischen Weges noch mehr Strahlkraft. So scheinen sich dort auch wesentliche Leitplanken der politischen Gestaltung digitaler Transformation zu finden. Dazu zählen Kohäsion und Inklusion statt Spaltung, verbunden mit dem Ziel des sozialen und gesellschaftlichen Fortschritts. Dazu gehört das Primat der Politik ebenso wie der Multi-Stakeholder-Ansatz oder die Mitbestimmung und Beteiligung von Bürger_innen, aber auch der Einsatz gesetzlicher Regulierung und Elemente staatlicher Steuerung sowie gezielte Investitionen in die digitale Infrastruktur und in die Modernisierung des Wohlfahrtsstaats. In der vorliegenden Studie widmen wir uns der Fragestellung, wie Digitalisierung in Europa zu sozialen Innovationen beitragen kann und wie sich Digitalisierung für soziale Innovationen politisch gestalten lässt. Wir adressieren (1) drei aktuell viel und widersprüchlich diskutierte Techniken, Blockchain, Künstliche Intelligenz (KI) und digitale Plattformen, und (2) deren Potenzial in drei großen Bereichen: Gesundheit, Arbeit und Sicherheit – also drei für den sozialen Fortschritt vielversprechende digitale Techniken in drei Bereichen, die die Mehrheit der Bürger_innen in Europa betreffen und deshalb nach politischer Gestaltung verlangen. Wie diese politische Gestaltung aussehen kann, soll im Rahmen dieser Studie diskutiert werden. "
Digital
ISBN (PDF) : 978-3-96250-451-9
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