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Geschlechtergerechtigkeit des Einkommensteuersystems: Mythos oder Wahrheit?

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Article

Mühlhböck, Vanessa

Wirtschaft und Gesellschaft

2009

35

1

45-64

comparison ; family policy ; gender ; income distribution ; statistics ; social inequality

Austria ; France

Income distribution

https://wug.akwien.at/

German

Bibliogr.

"Obige Darstellungen stellen einen Vergleich der Steuerbelastung von einigen Famili-entypen in Öster-reich sowie in Frankreich dar und zeigen die Beziehung der österrei-chischen Steuerbelastung zu jener in Frankreich. Aus diesen Vergleichen kann das Argument, das französische Steuersplittingmo-dell sei familienfördernd und würde auch AlleinerzieherInnen steuerlich entlasten, nicht belegt werden. Das französische Modell fördert vielmehr wohlhabende, kinderlose Partnerschaften mit lediglich ei-nem/r EinkommensbezieherIn. Will man nun tatsächlich Maßnahmen zur Familien-förderung und Er-höhung der Frauenerwerbsquote setzen und gleichzeitig Alleiner-zieherInnen entlasten, so sei hier der Hinweis gegeben, dass Lehner (2002) die Ferti-litätsraten mit den Kinderbetreuungsquoten der unter3-Jährigen für diverse europäi-sche Staaten verglich. Demnach hat Frankreich eine Fertilitätsrate von 2,01 und eine Kinderbetreuungsquote von 30%. Im Vergleich dazu weist Österreich lediglich eine Fertilitätsrate von 1,4 und eine Kinderbetreuungsquote von 8,8% auf. Da die Steuer-last nach Brutto-bezugsstufen für einen relativ hohen Teil der Einkommensbeziehe-rInnen in Frankreich nicht oder kaum geringer ist als jene in Österreich, scheint es naheliegend, dass vielmehr das Angebot an Kin-derbetreuungsstätten familien- und frauenfördernd ist und nicht das System des Familiensplittings.Doch auch das österreichische System der Individualbesteuerung ist nicht gänzlich frei von Ungerech-tigkeiten gegenüber Frauen, welche aufgrund der spezifischen Steuerbegünstigungen hervorgerufen wird. Durch die Analyse der Lohnsteuerstatistik konnte diesbezüglich festgestellt werden, dass die Inanspruchnahme von steuerli-chen Begünstigungen stärker durch Männer erfolgt. Auch deren Wir-kungen sind auf-grund der Ausgestaltung als Freibeträge für männliche Einkommensbezieher deutlich höher. So konnte in diesem Zusammenhang gezeigt werden, dass im Bereich der Sonderzahlungen, welche in gleichem Ausmaß bei Männern und Frauen vorzufinden sind, keinesfalls von Gender-Gerechtigkeit gesprochen werden kann, da durch diese steuerliche Regelung die effektive Steuerbe-lastung von Männern im Durchschnitt deutlich stärker gesenkt wird als jene von Frauen.Diese geschlechtsspezifischen Diskrepanzen sind dem Grunde nach jedoch nicht systemimmanent, sondern sind vielmehr auf gegebene, Einkommensbezieherinnen benachteiligende wirtschaftliche Rahmenbedingungen zurückzuführen, die sich letzt-lich in im Durchschnitt niedrigeren Frauenein-kommen manifestieren. Um also den Mythos eines gendergerechten Einkommensteuersystems Wahrheit werden zu las-sen, bedarf es Lösungen des Problems der wirtschaftlichen Ungleichbehand-lung von Frauen gegenüber Männern. Ein wesentlicher Ansatz hierfür ist die Förderung der Erwerbs-tätigkeit und Qualifikation von Frauen, um deren finanzielle Gleichstellung zu ermöglichen, und be-stimmt nicht die Einführung von Steuersplittingmodellen. Nicht umsonst haben die meisten europäi-schen Länder Abstand von der gemeinsamen Veranlagung genommen, um so die Geschlechterunge-rechtigkeit zu reduzieren."

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