Diskriminierung Minderjähriger bei der Wahl zum Betriebsrat
Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht, Frankfurt am Main
Bund-Verlag - Frankfurt am Main
2021
117 p.
works council ; election ; legislation
HSI-Schriftenreihe
36
Workers participation and European works councils
https://www.hugo-sinzheimer-institut.de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-007911
German
Bibliogr.
"Die Politisierung der Jugend in der Klimabewegung geht einher mit einer intensiven Debatte um die Absenkung des Wahlalters bei politischen Wahlen, sowohl auf Landes- und Bundesebene, als auch für die Europawahlen. Zu Recht wird diese Debatte im Lichte einer Stärkung demokratischer Strukturen und politischer Bildung geführt. Auf Bundesebene wurde das Wahlalter schon mehrfach abgesenkt - für das passive Wahlrecht wurde 1949 ursprünglich 25 als Altersgrenze festgelegt. Bei den Wahlen zur kommunalen Selbstverwaltung in Städten und Gemeinden sind vielerorts bereits 16-Jährige wahlberechtigt, Gleiches gilt für die Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen der gesetzlichen Sozialversicherungsträger.
Bei Betriebsratswahlen setzt das Betriebsverfassungsgesetz für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts die Altersgrenze von 18 Jahren. Neben den genannten gesellschaftspolitischen Argumenten stellt sich hier aus rechtlicher Sicht die Frage, ob es mit den Wahlgrundsätzen und dem Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar ist, Minderjährige bei Betriebsratswahlen vom aktiven und passiven Wahlrecht auszuschließen. Sie wählen zwar die Jugend und Auszubildendenvertretung, die ohne Zweifel ein wichtiges Organ der Betriebsverfassung mit eigenen Aufgaben ist. Doch weil die Mitbestimmungsrechte
der unter 18-Jährigen gegenüber dem Arbeitgeber durch den Betriebsrat wahrgenommen werden, geht es bei seiner Wahl eindeutig (auch) um die Interessenvertretung der jugendlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Im vorliegenden Gutachten gehen deshalb Prof. Dr. Daniel Ulber, Inhaber des
Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Arbeitsrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und Kyra Klocke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am selben Lehrstuhl, der Frage nach, ob es mit dem Verfassungs- und Europarecht vereinbar ist, Personen unter 18 Jahren vom aktiven und passiven Wahlrecht auszuschließen. Nach umfangreicher Prüfung - einschließlich möglicher Rechtfertigungsgründe für eine Altersgrenze - wird dies verneint.
Das Gutachten nimmt auch eine Analyse der Folgen dieses Ergebnisses für Betriebsratswahlen vor. Und hieraus ergibt sich Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Dieser sollte dem Beispiel Österreichs folgen und das Wahlalter für die Betriebsratswahlen senken. Im besten Fall schon vor den nächsten Betriebsratswahlen im Jahr 2022."
Digital
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